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Vielfalt und Einheit der deutschen Sprache


herausgeber

Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung

Union der deutschen akademien der wissenschaften

autoren

titel

Vielfalt und Einheit der deutschen Sprache.

untertitel

Zweiter Bericht zur Lage der deutschen Sprache.

verlag

Stauffenburg-verlag,

ort

D-72015 Tübingen

datum

isbn

978-3-95809-004-0

ausstattung, umfang

gebunden, 331 s.

umschlag

umschlag

inhaltsverzeichnis

Geleitwort

7

Vorwort

9

Die Vielfalt der deutschen Sprache

15

Standarddeutsch: Überdachung der Varietäten

53

Vom traditionellen Dialekt zu den modernen deutschen Regionalsprachen

105

Jugendsprache

145

Das Deutsch von Migranten

191

Internetbasierte Kommunikation

247

Gesprochene Alltagssprache

283

verlagstext

Das Deutsche ist eine der bedeutendsten Kultursprachen der Welt, und wie alle Sprachen verändert es sich ständig. Dieser Wandel äußert sich beispiels­weise in einer Vereinfachung des grammatischen Systems und einer gewaltigen Ausweitung des Wortschatzes; der Erste Bericht zur Lage der deutschen Sprache (2013) war diesen Entwicklungen gewidmet. Der Wandel zeigt sich aber auch in einer zunehmenden Differenzierung in einzelne Spiel­arten, je nachdem, wer wann und wo mit wem mithilfe welchen Mediums über welches Thema kommuniziert. Die heutige deutsche Sprache in ihrer Gesamtheit ist daher ein überaus komplexes Bündel sich vielfach über­schneidender Varietäten, von denen einer, der „Standard­sprache“ (oder „Hochsprache“), eine besondere Bedeutung zukommt: sie ist das Ergebnis von An­gleichungen und expliziten Normierungen; es ist die Sprachform, die eine übergreifende Verständigung sicherstellen soll und die daher in der Schule gelehrt wird.

Der Zweite Bericht zur Lage der deutschen Sprache ist dieser Vielfalt und der dahinter stehenden Einheit gewidmet. Der einleitende Beitrag gibt einen systematischen Überblick über die Vielfalt des heutigen Deutsch (Wolfgang Klein), der zweite zeichnet die Bemühungen um einen ein­heitlichen Standard nach (Peter Eisenberg). Die weiteren Beiträge sind verschiedenen Spielarten des Deutschen gewidmet, die häufig in der öffentlichen Diskussion stehen: Dialekten und Regionalsprachen (Jürgen Erich Schmidt), der Sprache von Jugendlichen (Nils Bahlo und Wolfgang Klein), der Sprache von Migranten (Norbert Dittmar und Yazgül Simsek), der internet­basierten Kommunikation (Angelika Storrer) und der ge­sprochenen Alltags­sprache (Ludwig M. Eichinger). Alle Beiträge stützen sich auf reiches empirisches Material, das teils eigens für diesen Bericht erhoben und aus­gewertet wurde.

auszug s. 90f., Eisenberg

In Abschnitt 2.2.2 wurde darauf hin­gewiesen, dass die Aus­zeichnung von Empfehlungen zum Sprach­gebrauch im Duden­kodex (und inzwischen auch anderen Norm­kodizes) einer freien Entwicklung der Standard­sprache zuwiderläuft. Verschärft wird diese Art von Norm­fixierung durch Korrektur­programme. Die zur Grammatik stecken in den Kinderschuhen, aber die zur Ortho­graphie (Spell­checker) sind weit ver­breitet und ersetzen teil­weise bereits das Bestreben der Schreiber, die Ortho­graphie selbst zu beherrschen. […]

Lange Zeit hindurch hat man etwa abnehmende Rechtschreib­fähigkeiten der jungen Generation daran festgemacht, dass heute sowohl Abiturienten als auch Real- und Haupt­schüler schlechter schreiben als vor vierzig Jahren. Be­rücksichtigt man jedoch, dass sowohl der Anteil an Abiturienten als auch der an Realschülern (oder was dem entspricht) stark gestiegen, der an Haupt­schülern dagegen gesunken ist, dann kann es gar nicht anders sein. Realistischer wäre ein Vergleich der jeweils besten oder schlechtesten sagen wir 10, 20 oder 30 Prozent Schreiber eines Jahrgangs. In­zwischen dürfte jedoch un­bestreitbar sein, dass die Rechtschreib­fähigkeiten seit einigen Jahren tat­sächlich abnehmen, ähnlich wie es oben für Frank­reich beschrieben wurde. In Deutsch­land kommt allerdings eine Ver­unsicherung durch die Neu­regelung der Ortho­graphie hinzu, die dem Orthographie­unterricht quantitativ und qualitativ viel Wasser abgegraben hat.

Eine Erhebung der Rechtschreib­leistungen von Viert­klässlern an derselben Schule in den Jahren 1972, 2002 und 2012 ergibt einen signifikanten Anstieg an Fehlern, am weitaus stärksten in den Bereichen Groß- und Klein- sowie Getrennt- und Zusammen­schreibung (Steinig / Betzel 2014). Zu ähnlichen Schlüssen kommt eine ausführliche Unter­suchung der Rechtschreib­leistungen von Gymnasiasten (Grund 2016). Bemerkens­wert ist andererseits, dass die Schreib­didaktik sich zunehmend an den sprachlichen Re­gularitäten, also dem Schrift­system selbst orientiert und auf diesem Weg Erfolge erzielt (Hofmann 2011). Dem — im Wesentlichen gesteuerten — Schriftsprach­erwerb kommt für die Entwicklung des ge­schriebenen Standards überragende Bedeutung zu. Die Neuregelung der Orthographie hat ihm nicht nur durch ihre Inhalte schweren Schaden zugefügt, sondern auch dadurch, dass die allgemeine Verunsicherung zur Vermeidung von Rechtschreib­unterricht in den Schulen und zur Gering­schätzung von Rechtschreib­normen beigetragen hat.